Famulaturbericht Sumba, Juli/August 2017
Famulaturbericht Sumba, Juli/August 2017
von Isabell Jensen
Schon länger hatten meine Kommilitonin und ich den Wunsch gehabt einen Auslandsaufenthalt zu machen. Jedoch waren die Semesterferien nie geeignet dafür und so entschieden wir uns für eine Famulatur im Anschluss an das Staatsexamen. Doch wohin sollte die Reise gehen? Über Freunde erfuhren wir von einer Insel namens Sumba und dem dort tätigen Patres des Redemptoristen-Ordens.
Sumba ist eine 11.150 km² große Insel im Indischen Ozean und liegt etwa eine Flugstunde Richtung Osten von Bali entfern. Die 685.000 Bewohner leben dort in meist armen Verhältnissen und die Infrastruktur ist ebenfalls in schlechtem Zustand, wodurch für weitere Strecken eine lange Zeit in Anspruch genommen werden muss. Dennoch hat uns die Insel fasziniert und nach der Zusage des Ordens der Redemptoristen begannen wir bereits während der Examenszeit mit der Planung. Insgesamt hatten wir eine relativ kurze Planungsphase von vier Monaten, in denen wir Informationen zu Visumsbestimmungen, Impfungen und Flügen einholten.
Die Strände Sumba´s
Sehr hilfreich waren dabei sowohl das Auswärtige Amt, als auch die Reise- und tropenmedizinische Beratungsstelle der Universitätsmedizin Mainz. Dort ließen wir uns die notwenigen Impfungen geben und eine Malariaprophylaxe verschreiben, die wir vor Ort täglich einnehmen sollten. Am schwierigsten stellte sich der Transport unseres 101 kg schweren Spendenmaterials heraus. Nachdem unsere ausführende Fluggesellschaft Singapore Airlines exorbitant hohe Summen für den Transport unseres Spendenmaterials verlangte, entschieden wir uns stattdessen für einen Versand mit FedEx.
Den großzügigen Unternehmen, insbesondere Komet Dental / Gebr. Brasseler GmbH & Co. KG und unseren Familien möchten wir hiermit recht herzlich danken. Die Inselbewohner benötigen die Spenden dringend und sind sehr dankbar für jede Hilfe. Ebenfalls möchten wir uns bei den tatkräftigen und finanziellen Unterstützern aus Heusenstamm bedanken. Bei der Planung lernten wir den deutschsprachigen Pater Jack kennen, der auf Sumba aufgewachsen ist und nun seit drei Jahren in Deutschland lebt. Da wir mit ihm nach Sumba reisen wollten, mussten wir uns an seine bereits gebuchten Flüge anpassen, weshalb die Flugkosten etwas höher waren als normalerweise. (Normalpreis ca. 800 €)
Nach all den organisatorischen Sachen ging es endlich los. Nach einer Zwischenlandung in Singapur und Transitaufenthalt auf Bali ging es weiter nach Sumba, die vergessene Insel wie sie auch manchmal genannt wird. Unser Flug ging direkt nach Waingapu, der Inselhauptstat. Dort angekommen wurden wir direkt von Pater Dominikus, dem Schulleiter der Asrama Paradita am Flughafen herzlich empfangen. Er brachte uns anschließend zu unserern Zimmern in der Asrama, einer Art Internat für Jungen. Schon bei unserer Ankunft wurden wir überschwänglich begrüßt und gefeiert. Für die Menschen dort ist es etwas besonderes, wenn Leute aus Europa sie besuchen kommen. Deshalb haben sie sich sehr gefreut, wenn sie mit uns Fotos machen konnten oder ein paar Worte mit uns wechseln.
Unterrichtung der Schüler in Asrama
Meine Kommilitonin und ich bekamen beide ein Einzelzimmer mit Bett und Schreibtisch und ein gemeinsames Bad. Bereits im Voraus haben wir uns über die sanitären Anlagen informiert und waren deshalb nicht überrascht, dass es zwar eine normale Toilettenschüssel gab, aber meist nicht mit Wasserspülung. Es gab in der Regel nur für ein paar Stunden am Tag fließendes Wasser, das in eine Art großes Waschbecken eingelassen wurde.
Wollte man sich „duschen“ so konnte man sich mit einer Schöpfkelle Wasser über Kopf und Körper gießen. Man steht dabei mitten im Badezimmer und das Wasser läuft einfach durch ein Loch im Boden ab. Es ist zwar etwas gewöhnungsbedürftig aber man lernt die Dinge, die man zu hause als selbstverständlich erachtet noch mehr zu schätzen.
Während der Zeit, in der wir im Asrama gewohnt haben, haben wir an einer Schule unterrichtet, wobei die Schulkinder uns alle Fragen in Bezug auf Mundgesundheit stellen konnten. Dabei war besonders Pater Dominikus hilfreich, der acht Jahre in Deutschland studiert hat und unseren Unterricht von Deutsch auf Indonesisch übersetzen konnte. Wir haben den Schülern viel über die Pflege der Zähne und die Entstehung von Karies beigebracht. In jeder Klasse haben wir nachgefragt wie viele Kinder überhaupt schon ein Mal beim Zahnarzt waren und der Anteil lag zwischen der Hälfte und einem Drittel.
Untersuchung einer Schülerin
Bei der Untersuchung einiger Schulkinder war es erschreckend zu sehen, dass jeder unserer jungen Patienten schon Karies hatte. Umso mehr haben sie sich natürlich über unseren Besuch in der Schule gefreut und als die Zeit in Waingapu vorbei war wurden wir von Schülern und Lehrern liebevoll mit dem traditionelle „Sumbakuss“, einem kleinen Nasenkuss, verabschiedet.
Nach Waingapu machten wir uns auf nach Weetebula, einer kleineren Stadt im Westen der Insel, wo wir nach einer Tagesfahrt endlich ankamen. Dort wohnten wir in einem Teil des Klosters Susteran Amal Kasih Darah Mulia, der direkten Zugang zum Krankenhaus hatte, in dem wir behandeln durften. Dort bekam ebenfalls jede von uns ein Einzelzimmer mit einem Bett, das mit einem Moskitonetz ausgestattet war und einem Schreibtisch. Darüber hinaus teilten wir uns ein Badezimmer mit einer Ordensschwester, das ebenfalls den Gegebenheiten des Internats entsprach. Wir haben uns bei den Schwester und Aspirantinnen direkt gut aufgehoben und wohl gefühlt. Wir durften jeden Tag im Kloster mit den Aspirantinnen essen, d.h. morgens, mittags und abends. Es gibt zu jeder Mahlzeit Reis mit dem typischen Gemüse und einem kleinen Stück Fleisch oder Fisch. Da wir jedoch sehr oft eingeladen waren, haben wir auch oft bei Einheimischen gegessen oder unterwegs auf unseren Ausflügen.
Bereits am nächsten Morgen begannen wir mit der Arbeit in der Zahnklinik des Krankenhauses Rumah Sakit Karitas. Dr. Denny, der Zahnarzt, ist unglaublich nett und hat uns viel selbstständig arbeiten lassen. Wir konnten ihn jederzeit alles fragen und da wir die ersten waren, die dort eine Famulatur gemacht haben, war er auch sehr an den deutschen Standards interessiert. Unsere Arbeitszeit war von Montag bis Samstag von 9 bis ca. 15 Uhr, falls natürlich noch Patienten da waren haben wir auch länger behandelt. Am Dienstag war die Klinik im Krankenhaus immer geschlossen, weshalb wir jede Woche zwei freie Tage hatten, an denen wir Ausflüge unternehmen konnten. Die Behandlungseinheit besteht nur aus einem Behandlungsstuhl, sodass wir uns mit dem behandeln und assistieren abwechseln konnten.
Das fließende Wasser an der Einheit war leider kaputt, sodass die Assistenz während des Bohrens mit einer Spritze Wasser auf den Zahn träufelt. Die Absauganlage, sowie die Mechanik zur Stuhlverstellung waren ebenfalls defekt, aber man lernte schnell auch mit weniger Mitteln gut zu behandeln. Über die mitgebrachten Spendenmaterialien haben sich alle sehr gefreut und wir konnten zeigen, wie man zum Beispiel mit Komposit Füllungen legt.
Während unserer Famulatur konnten wir viele Extraktionen, leider auch schon bei Kindern, durchführen und Füllungen legen. Es gibt sogar die Möglichkeit einen Zahnfilm anzufertigen, jedoch wird dies aus Kostengründen nur selten genutzt. Allerdings gibt es keine Lichtquelle vor der man das Röntgenbild auswerten könnte, weshalb kurzer Hand die Taschenlampe des Handys dazu genutzt wird.
Mutter und Kind beim Zahnarztbesuch
Wurzelkanalbehandlungen werden fast nie durchgeführt und falls doch nur bei Frontzähnen mit einem Kanal. Dies haben wir in der gesamten Zeit dort nicht erlebt. Es gibt schon einige Unterschiede in den Behandlungsmethoden aber ich bin der Meinung, dass es für jeden angehenden Zahnarzt eine große Bereicherung ist so etwas zu sehen und mehr Arbeitsroutine in Behandlungsmaßnahmen zu bekommen, die man hier in Deutschland nicht mehr so häufig durchführt.
Die Patienten waren immer sehr dankbar für die Behandlung, da die Menschen sehr arm sind und meist nur zum Zahnarzt gehen, wenn sie wirklich Schmerzen haben. Bei den meisten Menschen fehlt es auf Sumba leider an entsprechender Bildung für Mundhygiene, weshalb sowohl der Zahnstatus, als auch die Mundhygiene meist in einem desolaten Zustand sind.
Alle Patienten haben indonesisch gesprochen, aber es ist möglich vor Ort das für die Behandlung notwendige Vokabular relativ schnell zu erlernen. Da Dr. Denny hervorragend englisch spricht, konnte er uns immer die Anamnese genau übersetzen und uns auch sonst bei Kommunikationsschwierigkeiten mit den Patienten zur Seite stehen.
Auf der Insel wird darüber hinaus sehr viel Betelnuss in allen Variationen konsumiert, welches eine leicht betäubende Wirkung hat. Erschreckend fand ich besonders, dass sogar Kinder in sehr armen Gegenden Betelnuss gegessen haben, wahrscheinlich um den Hunger zu betäuben. Etwas gewöhnungsbedürftig ist dabei, dass die Betelnuss den Speichel rot färbt und die Zähne dadurch rötlich werden oder schwarze Beläge tragen. Aufgrund dessen konnten wir sogar einige Zahnreinigungen während unserer Famulatur durchführen.
Die Ärzte an der Klinik sind sehr nett und es hat nicht lange gedauert bis wir auch hier Anschluss gefunden haben. Wir wurden oft von Ärzten auf Ausflüge mitgenommen und auch die Nonnen, sowie Redemptoristen, haben immer dafür gesorgt, dass unsere freien Tage gut ausgefüllt waren. Dabei unternahmen wir verschieden Ausflüge unter anderem an Strände und Wässerfälle der Insel, um etwas mehr von der unberührten Natur zu sehen. Darüber hinaus haben wir ein weiteres Krankenhaus, etwas 1,5 Stunden von Weetebula entfernt, besucht.
Isabell Jensen mit einheimischen Kindern
Auch dort haben sich alle sehr über unseren Besuch gefreut. Die Behandlungsgegebenheiten waren hier leider noch schlechter, als in dem Krankenhaus, in dem wir behandelt haben. Dort gab es nur einen Holzstuhl auf dem der Patient sitzen konnte. Von der Zahnärztin wurde uns berichtet, dass die Patienten fast nur auf Grund starker Schmerzen kommen, um dann eine Extraktion durchführen zu lassen.
Wir hatten nach der Zeit, die wir dort im Kloster verbracht haben ein sehr familiäres Verhältnis zu den Aspirantinnen aufgebaut. Oft haben wir ihnen nachdem wir aus dem Krankenhaus zurück kamen noch Englischunterricht gegeben oder bei Leseübungen geholfen. Es ist uns sehr schwer gefallen die Menschen dort wieder zu verlassen.
Abschließend kann ich für mich sagen, dass die Famulatur auf Sumba für mich sowohl fachlich als auch menschlich eine wahnsinnige Bereicherung gewesen ist und ich jedem nur empfehlen kann ein Mal einen Blick über den Tellerrand zu wagen.