Die endodontische Zugangskavität:

Balance zwischen vollständiger Kanaldarstellung und Schonung der Zahnsubstanz

Die Zahnmedizin ist ein fortwährend wachsendes Feld mit einem zentralen Fokus auf präzisen Therapieansätzen und dem Patientenwohl. [...]

Die Zahnmedizin ist ein fortwährend wachsendes Feld mit einem zentralen Fokus auf präzisen Therapieansätzen und dem Patientenwohl.

 

Finden und Behandeln von Wurzelkanälen
Innerhalb dieses Rahmens nimmt die endodontische Behandlung, speziell die Zugangskavität, eine wichtige Rolle ein. Hierbei geht es um das Finden und die korrekte Behandlung von Wurzelkanälen, ohne vitale Zahnhartsubstanz zu beschädigen bzw. übermäßig abzutragen.


Die Schaffung einer Zugangskavität wird dabei in die Präparation folgender Bereiche differenziert:

  • die primären Zugangskavität (Zugang zum Pulpenkavum) und 
  • die sekundären Zugangskavität (Darstellen der Wurzelkanalsysteme).
Dies ist ein Balanceakt, der sowohl Präzision als auch umfassendes Wissen erfordert. Die Forschung zeigt, dass unbehandelte Wurzelkanäle zu weiteren Komplikationen führen können, was die Notwendigkeit unterstreicht, alle Kanäle während der Behandlung korrekt zu lokalisieren und zu behandeln. Gleichzeitig betonen moderne Ansätze in der Endodontie die Wichtigkeit, so viel Zahnsubstanz wie möglich zu erhalten, um die Langlebigkeit des behandelten Zahnes zu gewährleisten.


Doch wie erreicht man eine zureichende Trepanation des Zahns, während dessen Integrität gewahrt wird? Und welche anatomischen Leitlinien vereinfachen die korrekte Lokalisierung der Wurzelkanalsysteme?


Auf dieser Seite möchten wir Ihnen diese Fragen beantworten und dabei auf aktuelle Erkenntnisse und Empfehlungen aus der Wissenschaft eingehen.

Auswirkungen von unbehandelten Wurzelkanälen auf die Zahngesundheit

Laut den Richtlinien der American Association of Endodontics (AAE)² erhöht die komplette Entfernung des Pulpenkomplexes die Erfolgschancen endodontisch behandelter Zähne. Dies erfordert das vollständige Auffinden aller Wurzelkanäle, was nur durch eine gründliche Untersuchung der Schnittstelle zwischen Pulpenkammerwand und -boden möglich ist.


Risiko: Apikale Paradontitis

Eine umfassende Untersuchung von Costa et al.³, bei der 807 DVTs mit insgesamt 2294 endodontisch behandelten Zähnen analysiert wurden, ergab, dass 12% (281 Zähne) mindestens einen unbehandelten Kanal aufwiesen. Alarmierend war, dass fast 98% dieser Zähne mit unbehandeltem Kanal Anzeichen einer apikalen Parodontitis zeigten, verglichen mit 86% der Zähne, bei denen alle Kanäle behandelt wurden. Besonders betroffen waren die mesiobukkalen Wurzeln der ersten Oberkiefermolaren: 74% hatten unbehandelte Kanäle, wobei der zweite mesiobukkale Kanal (mb2) am häufigsten übersehen wurde.

Unbehandelte Kanäle kommen am häufigsten bei Oberkiefermolaren (40,1%) und am seltensten bei Oberkieferprämolaren (9,5%) vor. Interessant ist auch, dass laut Untersuchungen auch im Unterkiefer unbehandelte Kanäle in 81,8% der Fälle zu apikaler Parodontitis beitragen.


Weitere Studien wie von Baruwa et al.4 und Colakoglu et al.5 bestätigten diese Ergebnisse und wiesen darauf hin, dass insbesondere bei Oberkiefermolaren mit unbehandeltem zweiten mesiobukkalem Kanal (mb2) ein erhöhtes Risiko besteht.

Auswirkungen von unbehandelten Wurzelkanälen auf die Zahngesundheit
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Laut den Richtlinien der American Association o...

Laut den Richtlinien der American Association of Endodontics (AAE)² erhöht die komplette Entfernung des Pulpenkomplexes die Erfolgschancen endodontisch behandelter Zähne. Dies erfordert das vollständige Auffinden aller Wurzelkanäle, was nur durch eine gründliche Untersuchung der Schnittstelle zwischen Pulpenkammerwand und -boden möglich ist.


Risiko: Apikale Paradontitis

Eine umfassende Untersuchung von Costa et al.³, bei der 807 DVTs mit insgesamt 2294 endodontisch behandelten Zähnen analysiert wurden, ergab, dass 12% (281 Zähne) mindestens einen unbehandelten Kanal aufwiesen. Alarmierend war, dass fast 98% dieser Zähne mit unbehandeltem Kanal Anzeichen einer apikalen Parodontitis zeigten, verglichen mit 86% der Zähne, bei denen alle Kanäle behandelt wurden. Besonders betroffen waren die mesiobukkalen Wurzeln der ersten Oberkiefermolaren: 74% hatten unbehandelte Kanäle, wobei der zweite mesiobukkale Kanal (mb2) am häufigsten übersehen wurde.

Unbehandelte Kanäle kommen am häufigsten bei Oberkiefermolaren (40,1%) und am seltensten bei Oberkieferprämolaren (9,5%) vor. Interessant ist auch, dass laut Untersuchungen auch im Unterkiefer unbehandelte Kanäle in 81,8% der Fälle zu apikaler Parodontitis beitragen.


Weitere Studien wie von Baruwa et al.4 und Colakoglu et al.5 bestätigten diese Ergebnisse und wiesen darauf hin, dass insbesondere bei Oberkiefermolaren mit unbehandeltem zweiten mesiobukkalem Kanal (mb2) ein erhöhtes Risiko besteht.

Optimales Auffinden von Kanälen bei Schonung der Zahnsubstanz

Optimales Auffinden von Kanälen bei Schonung der Zahnsubstanz


Clark und Khademi8 gehörten zu den Pionieren, die den präservativen Ansatz verfolgten, Teile des Pulpenkammerdaches zu belassen, um so das umliegende Dentin zu schützen und die Lebensdauer des behandelten Zahnes zu verlängern.


Mandil et al.10 betonten, dass das Erhalten des Cingulums, der Crista Transversa und Teilen des Pulpenkammerdaches die Bruchfestigkeit des Zahnes erhöhen kann. Dabei identifizierten sie die Schonung des zervikalen Dentins als zentralen Faktor für die Funktion und Haltbarkeit endodontisch behandelter Zähne.


Silva et al.11folgerten aus ihrer Untersuchung, dass die verkleinerten Zugangskavitäten in der Endodontie wegen ihrer maximalen Schonung der Zahnsubstanz (vor allem des pericervicalen Dentins und damit einer möglichen Verbesserung der Frakturresistenz) immer mehr Aufmerksamkeit bekommen. Sie schlugen aufgrund der aktuell uneinheitlichen Namensgebung eine neue Nomenklatur vor und benannten auch die Probleme, die diese Konzepte mit sich bringen können. Dazu zählen z.B. eine schlechtere Visualisierung mit Gefahr von iatrogenen Komplikationen als auch erhöhte Schwierigkeiten beim Auffinden, bei der chemo-mechanischen Reinigung und der Obturation der Kanalsysteme. Ein positiver Einfluss des Designs der Zugangskavität auf die Frakturresistenz ist momentan limitiert und kontrovers zu sehen.


Obwohl diese Methode das Risiko von Brüchen reduzieren könne, wiesen sie auf Herausforderungen hin, wie etwa eine eingeschränkte Sicht und potenzielle Schwierigkeiten bei der Reinigung und Füllung der Kanäle. Die Debatte über die Vorteile dieses Kavitätsdesigns hinsichtlich der Bruchfestigkeit bleibt aktuell unentschieden.

Primäre Zugangskavität
Optimierung der primären Zugangskavität

Primäre Zugangskavität
Optimierung der primären Zugangskavität


Ballester et al.12 empfehlen, die primäre Zugangskavität möglichst kompakt zu gestalten, aber dennoch praktisch zu halten. Bei Verwendung von extrem kleinen Kavitäten fanden sie, ohne ein dental-operatives Mikroskop zu verwenden, ein erhöhtes Risiko, Kanalsysteme zu übersehen. Ein signifikanter Vorteil, nämlich eine bessere Bruchfestigkeit, wurde bei solchen Zähnen nur dann beobachtet, wenn alle Randleisten intakt blieben. Wenn jedoch eine oder beide Randleisten fehlten, war dieser Vorteil nicht mehr erkennbar. Je nach Indikation stellen vier Randleisten natürlich nicht den Standardfall dar.


Für eine optimale Gestaltung der primären Zugangskavität empfiehlt es sich, die von Krasner und Rankow definierten Symmetrieregeln zu beachten.


Das Sondieren mit einer PA-Sonde hilft dabei, die Schmelz-Zement-Grenze zu identifizieren. Anschließend kann man mit einem diamantierten Instrument, bspw. 15802.314.014 , den Kronentrennern 4ZR 314.014 und ZR6801.314.014 das Pulpenkammerdach entsprechend präparieren.


Mit dem EndoGuard, welcher eine unbelegte Spitze aufweist, kann man dann die Kavität weiter ausformen , Dentinüberhänge abtragen und somit einen geradlinigen Zugang zum Wurzelkanalsystem ermöglichen, ohne Gefahr zu laufen, den Boden der Pulpakammer zu perforieren.


Für eine optimale Gestaltung der primären Zugangskavität empfiehlt es sich, die von Krasner und Rankow13 definierten Symmetrieregeln zu beachten:

Symmetrieregeln nach Krasner und Rankow

  1. Zentralitätsregel: Der Pulpenkammerboden befindet sich auf Höhe der Schmelz-Zement-Grenze stets im Zentrum des Zahnes.


  2. Konzentrizitätsregel: Die Pulpakammerwände verlaufen an dieser Grenze parallel zur äußeren Zahnoberfläche.


  3. Farbregel: Der Boden der Pulpakammer ist stets dunkler als seine Wände.
Symmetrieregeln nach Krasner und Rankow
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Zentralitätsregel: Der Pulpenkammerboden bef...

  1. Zentralitätsregel: Der Pulpenkammerboden befindet sich auf Höhe der Schmelz-Zement-Grenze stets im Zentrum des Zahnes.


  2. Konzentrizitätsregel: Die Pulpakammerwände verlaufen an dieser Grenze parallel zur äußeren Zahnoberfläche.


  3. Farbregel: Der Boden der Pulpakammer ist stets dunkler als seine Wände.

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Sekundäre Zugangskavität


Beim Anlegen der sekundären Zugangskavität hilft die sogenannte "anatomische Landkarte am Pulpakammerboden". Auftretende Blutungen am Kanaleingang durch abgerissenes vitales Gewebe, aufsteigende Bläschen als Zeichen von Gewebeauflösung bei Flutung der Kavität mit Natriumhypochlorid oder auch Anwendung von Färbelösungen wie beispielsweise Methylenblau helfen bei der Orientierung. Cracks und Frakturen des Zahnes können durch Anfärben erkannt werden.


Für die Schaffung der sekundären Zugangskavität eignen sich dann vollrotierend oder reziprok arbeitende Instrumente. Diese ermöglichen eine schonende Freilegung der Kanaleingänge ohne für einen übermäßigen Substanzabtrag zu sorgen. Eine übermäßige Abtragung von Dentin wie beim Einsatz von Gates-Glidden ist nahezu nicht möglich.

Ballester et al. empfehlen, die primäre Zugangskavität möglichst kompakt zu gestalten, aber dennoch praktisch zu halten [...]

Anatomische Leitfäden und Klassifikationen des Pulpakammerbodens


Die komplexe Anatomie des Pulpakammerbodens spielt eine entscheidende Rolle in der endodontischen Therapie. Ein tiefgehendes Verständnis der Anordnung und Lokalisierung von Kanaleingängen kann den Erfolg einer Wurzelkanalbehandlung erheblich steigern. Mehrere Gesetze und Leitsätze wurden entwickelt, um Zahnärzten Orientierungshilfen bei der Behandlung zu bieten. Zudem wurde eine innovative Klassifikation von Pawar und Singh15 vorgestellt, die auf der speziellen Anatomie von Molaren basiert.


Diese Leitlinien und Klassifikationen sind unerlässlich, um effizient und sicher durch den Pulpakammerboden zu navigieren und alle Wurzelkanäle aufzufinden.


Eine neue Klassifikation für die Anatomie des Pulpenkammerbodens von Molaren wurde von Ajinkya M. Pawar und Shishir Singh15 eingeführt und erleichtert häufig das Auffinden aller Wurzelkanäle.

Leitlinien und Klassifikation

  1. Law of Symmetry 1: Die Kanaleingänge liegen in gleicher Entfernung einer gedachten Linie in mesio-distaler durch die Mitte des Pulpenkammerbodens (Ausnahme sind Oberkiefermolaren).


  2. Law of Symmetry 2: Die Kanaleingänge liegen senkrecht einer gedachten Linie in mesio-distaler durch die Mitte des Pulpenkammerbodens (Ausnahme sind Oberkiefermolaren).


  3. Law of Orifice Location 1: Die Kanaleingänge befinden ich immer an der Verbindung der Pulpenkammerwände mit dem Pulpenkammerboden.

  4. Law of Orifice Location 2: Die Kanaleingänge befinden sich in den Eckpunkten des Übergangs vom Pulpenkammerboden bis zur Pulpenkammerwand.
Leitlinien und Klassifikation
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Law of Symmetry 1: Die Kanaleingänge liegen ...

  1. Law of Symmetry 1: Die Kanaleingänge liegen in gleicher Entfernung einer gedachten Linie in mesio-distaler durch die Mitte des Pulpenkammerbodens (Ausnahme sind Oberkiefermolaren).


  2. Law of Symmetry 2: Die Kanaleingänge liegen senkrecht einer gedachten Linie in mesio-distaler durch die Mitte des Pulpenkammerbodens (Ausnahme sind Oberkiefermolaren).


  3. Law of Orifice Location 1: Die Kanaleingänge befinden ich immer an der Verbindung der Pulpenkammerwände mit dem Pulpenkammerboden.

  4. Law of Orifice Location 2: Die Kanaleingänge befinden sich in den Eckpunkten des Übergangs vom Pulpenkammerboden bis zur Pulpenkammerwand.

Quellen

Quellenangaben:
  • 1. Hülsmann, M., Checklisten der Zahnmedizin: Endodontie. 1 ed. 2008, Stuttgart: Thieme.
  • 2. Krasner, P., H. Rankow, and E. Abrams, Access Opening and Canal Location, in Colleagues for Excellence, AAE, Editor. 2010, AAE.
  • 3. Costa, F., et al., Association between missed canals and apical periodontitis. Int Endod J, 2019. 52(4): p. 400-406.
  • 4. Baruwa, A.O., et al., The Influence of Missed Canals on the Prevalence of Periapical Lesions in Endodontically Treated Teeth: A Cross-sectional Study. J Endod, 2020. 46(1): p. 34-39 e1.
  • 5. Colakoglu, G., et al., Association between second mesiobuccal canal and apical periodontitis in retrospective cone-beam computed tomographic images. Aust Endod J, 2022.
  • 6. Karabucak, B., et al., Prevalence of Apical Periodontitis in Endodontically Treated Premolars and Molars with Untreated Canal: A Cone-beam Computed Tomography Study. J Endod, 2016. 42(4): p. 538-41.
  • 7. Mashyakhy, M., et al., Prevalence of Missed Canals and Their Association with Apical Periodontitis in Posterior Endodontically Treated Teeth: A CBCT Study. Int J Dent, 2021. 2021: p. 9962429.
  • 8. Clark, D. and J.A. Khademi, Case studies in modern molar endodontic access and directed dentin conservation. Dent Clin North Am, 2010. 54(2): p. 275-89.
  • 9. Clark, D. and J. Khademi, Modern molar endodontic access and directed dentin conservation. Dent Clin North Am, 2010. 54(2): p. 249-73.
  • 10. Mandil, O.A., et al., Modern versus Traditional Endodontic Access Cavity Designs. J Pharm Bioallied Sci, 2022. 14(Suppl 1): p. S24-S27.
  • 11. Silva, E., et al., Impact of contracted endodontic cavities on fracture resistance of endodontically treated teeth: a systematic review of in vitro studies. Clin Oral Investig, 2018. 22(1): p. 109-118.
  • 12. Ballester, B., et al., Current strategies for conservative endodontic access cavity preparation techniques-systematic review, meta-analysis, and decision-making protocol. Clin Oral Investig, 2021. 25(11): p. 6027-6044.
  • 13. Krasner, P. and H.J. Rankow, Anatomy of the pulp-chamber floor. J Endod, 2004. 30(1): p. 5-16.
  • 14. Ruddle, C., Ruddle on the radar Identifying root canals Endodontic strategies, in Endodontic practice. 2011.
  • 15. Pawar, A.M. and S. Singh, New classification for pulp chamber floor anatomy of human molars. J Conserv Dent, 2020. 23(5): p. 430-435.
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